Impuls zum 6. Juni 2021
Von Hope Rauguth, Saarbrücken, Geistlicher Beirat von pax christi
Wes Geistes Kinder wir sind
Unser Verhalten und Handeln werden bestimmt von unserer inneren Haltung. Die Überprüfung der Frage „Auf wen oder was habe ich mich ausgerichtet?“ stellt sich daher gewissenhaften Menschen und Christ*innen immer wieder neu. Wes Geistes Kinder wir sind, davon hören wir heute im Evangelium. Dass wir auch die bösen Geister kennen, manchmal sogar rufen, können wir erzählen, beklagen – oder auch verdrängen. Dass Jesus uns dabei zur Seite steht, kann uns das Leben neu aufschließen.
GL 140: Kommt herbei, singt dem Herrn
1.Kommt herbei, singt dem Herrn, ruft ihm zu, der uns befreit. (2x)
Singend lasst uns vor ihn treten, mehr als Worte sagt ein Lied. (2x)
2. Er ist Gott, Gott für uns, er allein ist letzter Halt. (2x)
Überall ist er und nirgends, Höhen, Tiefen, sie sind sein.(2x)
3. Ja, er heißt: Gott für uns; wir die Menschen, die er liebt. (2x)
Darum können wir ihm folgen, können wir sein Wort verstehn. (2x)
4. Wir sind taub, wir sind stumm, wollen eigne Wege gehn. (2x)
Wir erfinden neue Götter und vertrauen ihnen blind. (2x)
5. Dieser Weg führt ins Nichts, und wir finden nicht das Glück. (2x)
graben unsre eignen Gräber, geben selber uns den Tod. (2x)
6. Menschen, kommt, singt dem Herrn, ruft ihm zu, der uns befreit. (2x)
Singend lasst uns vor ihn treten, mehr als Worte sagt ein Lied. (2x)
Text: Diethard Zils (nach Psalm 95), Melodie: Volkslied aus Israel
© Gustav Bosse Verlag, Kassel
Gebet
Gott, unser Vater,
die letzten Tage gehen uns noch nach.
Vieles haben wir geschafft,
vieles liegengelassen,
vieles aus den Augen verloren.
Wir befehlen dir alles.
Heute bitten wir dich um deinen Geist.
Dann können wir über die Dinge reden, die uns belasten,
dann können wir uns gegenseitig annehmen und verstehen,
dann treten wir aus Teufelskreisläufen und Schatten heraus
in die große Freiheit deiner Kinder.
Durch Christus, unseren Herrn und Bruder.
(Manfred Wussow)
EVANGELIUM - MK 3,20-35
Viele Menschen drängen sich um Jesus, doch es gibt auch Widerstand: Nicht nur Schriftgelehrte aus Jerusalem stellen sich gegen Jesus, sondern auch seine eigene Familie. In dieser spannungsvollen Situation verweist Jesus auf seine neue Familie, die Familie der Kinder Gottes.
© Katholische Bibelwerke Deutschland, Österreich, Schweiz.
Aus dem heiligen Evangelium nach Markus.
In jener Zeit
ging Jesus in ein Haus
und wieder kamen so viele Menschen zusammen,
dass er und die Jünger nicht einmal mehr essen konnten.
Als seine Angehörigen davon hörten,
machten sie sich auf den Weg,
um ihn mit Gewalt zurückzuholen;
denn sie sagten: Er ist von Sinnen.
Die Schriftgelehrten, die von Jerusalem herabgekommen waren,
sagten: Er ist von Beélzebul besessen;
mit Hilfe des Herrschers der Dämonen treibt er die Dämonen aus.
Da rief er sie zu sich
und belehrte sie in Gleichnissen:
Wie kann der Satan den Satan austreiben?
Wenn ein Reich in sich gespalten ist,
kann es keinen Bestand haben.
Wenn eine Familie in sich gespalten ist,
kann sie keinen Bestand haben.
Und wenn sich der Satan gegen sich selbst erhebt
und gespalten ist,
kann er keinen Bestand haben,
sondern es ist um ihn geschehen.
Es kann aber auch keiner
in das Haus des Starken eindringen
und ihm den Hausrat rauben,
wenn er nicht zuerst den Starken fesselt;
erst dann kann er sein Haus plündern.
Amen, ich sage euch:
Alle Vergehen und Lästerungen
werden den Menschen vergeben werden,
so viel sie auch lästern mögen;
wer aber den Heiligen Geist lästert,
der findet in Ewigkeit keine Vergebung,
sondern seine Sünde wird ewig an ihm haften.
Sie hatten nämlich gesagt:
Er hat einen unreinen Geist.
Da kamen seine Mutter und seine Brüder;
sie blieben draußen stehen
und ließen ihn herausrufen.
Es saßen viele Leute um ihn herum
und man sagte zu ihm:
Siehe, deine Mutter und deine Brüder stehen draußen
und suchen dich.
Er erwiderte:
Wer ist meine Mutter
und wer sind meine Brüder?
Und er blickte auf die Menschen,
die im Kreis um ihn herumsaßen,
und sagte: Das hier sind meine Mutter und meine Brüder.
Wer den Willen Gottes tut,
der ist für mich Bruder und Schwester und Mutter.
Gedanken zum Evangelium
Im heutigen Evangelium geht es darum, dass Jesus und sein Handeln, die Heilung Kranker und sein Widerstand gegenüber unguten Geistern, von seinen Gegnern, aber auch von seiner Familie diskreditiert und abgelehnt werden. Dabei distanziert sich Jesus von seiner leiblichen Familie und findet eine neue geistige Verwandtschaft bei den Menschen, die Gottes Willen tun.
Die modernen Humanwissenschaften sehen als Ziel jeglicher Entwicklung des menschlichen Individuums die Emanzipation. Das Wort Emanzipation kommt von dem lateinischen Wort emancipatio, das „Entlassung des Sohnes aus der väterlichen Gewalt“ oder auch die „Freilassung eines Sklaven“ bedeutet. Hieraus erfolgte eine Bedeutungsverschiebung: Aus dem Akt des Gewährens von Selbstständigkeit wurde eine Aktion gesellschaftlicher und insbesondere politischer Selbstbefreiung. Neben die äußere tritt die innere Emanzipation: als Befreiung aus eigener Unmündigkeit und den Fesseln von Tradition, gesellschaftlichen Normen und vorgegebener Weltanschauung.
Meine biographische Emanzipation im Elternhaus, das diese ja auch fördern kann, erfolgte parallel zur Emanzipation im Glauben, vom gehorsamen zum mündigen Christen. Dafür sorgte auch das 2. Vatikanische Konzil, wo es in der Pastoralkonstitution Gaudium et Spes heißt: „Aber nur frei kann der Mensch sich zum Guten hinwenden. … Die wahre Freiheit aber ist ein erhabenes Kennzeichen des Bildes Gottes im Menschen … Die Würde des Menschen verlangt daher, dass er in bewusster und freier Wahl handle, das heißt personal, von innen her bewegt und geführt und nicht unter blindem inneren Drang oder unter bloßem äußeren Zwang“.
Ein Lied (mehr als Worte sagt ein Lied), dass mich dabei mental begleitete, war das 1970 auf dem Album „Tea for the Tillerman“ veröffentlichte Lied des Singer-Songwriters Cat Stevens „Father and Son“. Das Stück ist ein gesungener Dialog zwischen Vater und Sohn, wobei Cat Stevens in der Originalversion (https://www.youtube.com/watch?v=P6zaCV4niKk) die Strophen des Sohnes eine Oktave höher singt. Das Stück besteht aus fünf Strophen, die ersten beiden und die vierte stammen vom Vater, die dritte und die letzte Strophe sind die Entgegnungen des Sohnes. Prägend sind die vom Vater stammenden ersten Textzeilen des Lieds:
“It’s not time to make a change, just relax take it easy
You’re still young and that’s your fault, there’s so much you have to know”
„Es ist nicht der rechte Zeitpunkt für Veränderungen, entspann dich, nimm’s leicht
Du bist noch jung und das ist deine Schwäche, es gibt noch viel, was du lernen musst“
Dieses Thema wird bei der Wiederholung leicht variiert. Am Ende der Entgegnungen des Sohnes heißt es jeweils:
“Now there’s a way, and I know
That I have to go away” „Nun gibt es eine Möglichkeit und mir ist klar
Dass ich weggehen muss“
Eine für mich darüber hinaus sehr eindrückliche Zeile war: „From the moment I could talk
I was ordered to listen“
Von dem Moment an, an dem ich selbst etwas sagen konnte, etwas zu sagen hatte, wurde mir angeordnet zuzuhören! So begann die Glaubensvermittlung durch den Katechismus damit, dass ich als Schulkind die zu befolgenden Sätze auswendig lernen musste. Eigene Fragen, Zweifel und Diskussionen waren schon Sünde und nicht erlaubt. Die Emanzipation davon erfolgte dann in der Pubertät und wie oft habe ich dabei das Lied von Cat Stevens aus vollem Herzen mitgesungen.
Cat Stevens selbst ist später zum Islam übergetreten und hat sich den Namen Yusuf Islam gegeben. Er hat dann mit 29 Jahren abrupt seine Musikkarriere beendet: Mit der "Sünde und Gier" des Musikgeschäfts wollte er nichts mehr zu tun haben. Genau so wenig wie mit seinen Songs, deren Texte für ihn mit seinem neuen Glauben nicht mehr zu vereinbaren waren. Es blieb aber nicht die letzte Wende in seinem Leben. In einem aktuellen Interview (https://www.rnd.de/kultur/wollten-sie-mit-ihrer-musik-die-welt-verandern-cat-stevens-U5VU6LQDNRFWRIOBS6A7LSPXLE.html) des RND sagt er: "Nach dem 11. September 2001 habe ich beschlossen, dass es Zeit war, wieder für den Frieden zu singen und für das ganz große Mittelfeld, in dem die meisten Muslime leben und wohnen - weit entfernt vom Extremismus." Bei einem Konzert der Nelson-Mandela-Stiftung steht Yusuf Islam 2003 wieder als Popmusiker auf der Bühne. Er spielt seinen Song "Peace Train". Die Entscheidung, wieder seine alte Musik zu spielen, ist kein Schnellschuss. "Ich habe Zeit gebraucht, um sicher sein zu können, dass ich das Richtige tue. Und ich glaube, ich habe eine Antwort erhalten, die sehr einfach ist: Alles, was Gutes bewirkt, ist gut, und was Schlechtes bewirkt, ist schlecht". Und über sein Lied vom Vater und Sohn sagt er: „Father and Son hat bis heute eine Wahnsinnswirkung und eine enorme Reichweite. Die Beziehung zwischen Eltern und Kindern lässt niemanden kalt. Ich schrieb das Lied ursprünglich für ein Musical über die Russische Revolution. Der Sohn wollte mit den Aufständischen marschieren, doch der Vater verlangte, dass er sich daheim um den Bauernhof kümmert. Es geht in „Father and Son“ um den Drang nach Veränderung auf der einen und das Establishment auf der anderen Seite.“ Nachdem er selbst 6 Kinder hat, stellt sich dann die Frage nach der Wirkung des Liedes auf ihn selbst: „Ich glaube, ich habe rechtzeitig aus diesem Song gelernt. Es gibt höchstens manchmal kleinere Tauziehen. Und meistens haben ja sowieso die Kinder recht. Mein Sohn zum Beispiel war derjenige, der mich wieder mit meiner Gitarre versöhnte. 2003 hier in Dubai, während eines Familienurlaubs. Ich hatte die Gitarre aus meinem Leben verbannt. Ich dachte, ich brauche sie nicht mehr. Mein Sohn brachte sie zurück und eröffnete mir eine Welt, die mir noch vertraut war, von der ich aber dachte, ich sähe sie nie wieder.“
Die Kraft zu seinen Lebenswenden gewinnt auch Yusuf Cat Stevens (wie er sich heute auch wieder nennen lässt) aus seinem Vertrauen in Gott, das er nach einem spirituellen Erlebnis in Todesangst und dem Lesen des Koran, den er danach geschenkt bekam, gewonnen hat.
Jesus steht selbst dafür und lädt uns ein, dass wir über unsere innere Haltung nachdenken und uns überprüfen, ob wir uns auf der Linie Gottes bewegen. Wo im Familienverbund und im gängigen Denken der Gesellschaft, im Establishment, dem Geist Gottes nicht grundsätzlich Rechnung getragen wird, dort soll es nach dem Willen Jesu für uns heißen:
“Now there’s a way, and I know
That I have to go away”
Aussteigen und sich deutlich in die geistige Verwandtschaft mit Jesus einklinken. Durch die Gesinnung ein Vater, eine Mutter, Bruder oder Schwester Jesu sein – dieser geistigen Verwandtschaft sollen wir den Vorrang geben.
Als Frei-Denker gesandt
Beatrix Senft
Wer bist DU
dass du es wagst
schon als Zwölfjähriger
den Weisen und Gelehrten
sagen zu wollen:
HIER GEHT ES LANG
Wer bist DU
dass du es wagst
deine Mutter zurechtzuweisen:
„Was habe ich mit dir zu tun, Frau?“
Und wieder sagst du:
HIER GEHT ES LANG
Wer bist DU
dass du es wagst
Unreine zu berühren –
Kranke zu heilen –
selbst an Feiertagen
Und wieder sagst du:
HIER GEHT ES LANG
Wer bist DU
dass du all das –
und noch viel mehr –
wagst
Ja –
bist du von allen guten Geistern verlassen
willst du
die ganze Welt
auf den Kopf stellen
DU antwortest uns:
HIER GEHT ES LANG
Genau hier
wenn ihr –
wie ich –
den Willen des Vaters
erfüllen wollt
den Willen
der über all euren Gesetzen steht
den Willen
der LIEBE heißt
Denn dann werdet ihr mir
Bruder
Schwester
Mutter
Wir bitten DICH
sag uns:
HIER GEHT ES LANG
MACHE UNS ZU FREI-DENKERN
DER
LIEBE GOTTES
Vater unser
Gebet
Beatrix Senft (2021)
Guter Gott,
du lässt uns deine Kinder sein;
kommst uns so entgegen, wie wir sind.
Du fragst uns nicht, was wir sind und was wir haben,
sondern schaust auf das, was wir gerade vermögen
und was wir gerade bedürfen.
Deine Liebe und Zugewandtheit will uns helfen,
unseren Alltag zu bewältigen.
Dafür danken wir dir und loben wir dich
mit deinem Sohn und dem Hl. Geist, heute und allezeit. - Amen.
Lied
LASS UNS DEN WEG DER GERECHTIGKEIT GEHEN
1. Laß uns den Weg der Gerechtigkeit gehn,
dein Reich komme, Herr, dein Reich komme.
Dein Reich in Klarheit und Frieden,
Leben in Wahrheit und Recht.
Dein Reich komme, Herr, dein Reich komme.
2. Laß uns den Weg der Gerechtigkeit gehn.
Dein Reich komme, Herr, dein Reich komme.
Dein Reich des Lichts und der Liebe
lebt und geschieht unter uns.
Dein Reich komme, Herr, dein Reich komme.
3. Laß uns den Weg der Gerechtigkeit gehn.
Dein Reich komme, Herr, dein Reich komme.
Wege durch Leid und Entbehrung
führen zu dir in dein Reich.
Dein Reich komme, Herr, dein Reich komme.
4. Laß uns den Weg der Gerechtigkeit gehn.
Dein Reich komme, Herr, dein Reich komme.
Sehn wir in uns einen Anfang,
endlos vollende dein Reich.
Dein Reich komme, Herr, dein Reich komme.
Nach dem spanischen "Anunciaremos tu reino Señor" von Maria Pilar Figuera 1965 übertragen von Diethard Zils und Christoph Lehmann 1983